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Zauberwort Bestandsschutz

Zauberwort Bestandsschutz: Ein Blick auf die Realität bei Hotelprojekten

Bei der Umplanung und Sanierung von Hotels stellt sich oft die Frage nach dem Bestandsschutz: Kann man sich bei älteren Bestandsgebäuden auf ihn berufen, wenn es um die Nichterfüllung aktueller Vorschriften geht?  Technische Brandschutzmaßnahmen können ein Sanierungsbudget schnell auffressen und Mittel von der eigentlich vom Hotelier geplanten Verbesserung der Beherbergungsqualität abziehen. Kann man da Bestandsschutz geltend machen, um an der Brandschutzsanierung einzusparen? Die Antwort auf diese Frage kann komplex sein und erfordert eine gründliche Analyse.

Herausforderungen bei älteren Hotelgebäuden

Bei der Sanierung von Hotelgebäuden, die bereits mehrere Jahrzehnte alt sind, wird gern und häufig auf den genehmigten Bestand verwiesen. Weil das Gebäude so schon 30 oder 40 Jahre besteht und bei keiner Abnahme oder Brandschau am bautechnischen Zustand bemängelt wurde, wird gerne unterstellt, dass dieser Zustand zumindest früher einmal vorschriftsgemäß war. Diese Annahme kann jedoch trügerisch sein. 

Ein konkretes Beispiel aus unserer Praxis verdeutlicht die Problematik: In einem Hotel wurde ein fehlender Fluchtweg bemängelt, der gemäß einer Baugenehmigung von 1971 vorgeschrieben war, aber nie umgesetzt wurde. Trotz mehrerer Gebrauchsabnahmen und Brandschauen in der Zwischenzeit war dieser Zustand nie beanstandet worden. Der heutige Eigentümer besaß die alten Genehmigungsunterlagen nicht und kannte die damalige Auflage daher nicht. So kam diese Auflage völlig überraschend für ihn, obwohl sie brandschutztechnisch gut begründet und völlig angemessen war.

Kürzlich berichtete das Hamburger Abendblatt, dass die Rooftop-Terrasse des Hotels The George behördlich geschlossen wurde. Über 11 Jahre war sie bereits in Nutzung, aber eine Genehmigung hat es dafür nie gegeben. Rettungswege und Schallschutz werden nun überprüft und ein Bauantrag ist zu stellen. „Hier muss es dann wohl zwischen Betreiber und Entwickler zu einem Missverständnis gekommen sein“, war das Fazit der Hotelmanagerin.

Die Notwendigkeit gründlicher Recherche

Diese Fälle verdeutlichen, dass der heutige Zustand eines alten und vielleicht schon mehrfach umgebauten Hotels nicht unbedingt dem genehmigten Zustand entsprechen muss. Der Bestandsschutz deckt nicht alte bauliche Mängel ab oder nicht umgesetzte Auflagen aus der Vergangenheit. Es ist daher wichtig, die Genehmigungsgrundlage gründlich zu überprüfen, bevor man sich auf den Bestandsschutz beruft. Dies kann eine umfangreiche detektivische Recherche erfordern, da einmal genehmigte Zustände durch spätere Umbauten ganz oder teilweise verändert worden sein können. Im besagten Fall mussten etwa 15 Stück seit 1967 erteilte Baugenehmigungen aufgespürt, eingesehen und bewertet werden, ehe wir die Genehmigungssituation dieses Hotels in allen Bereichen erkennen konnten.

Neue Vorschriften und ihre Auswirkungen

Fehler sind in der Vergangenheit häufig dann entstanden, wenn Baumaßnahmen zum Zeitpunkt gerade erlassener neuer Vorschriften oder technischer Bestimmungen geplant und vorgenommen wurden. Die Leitungsanlagenrichtlinien von 2005 benötigten mehrere Jahre, um in der Planungspraxis angekommen zu sein und Baupraxis vollständig umgesetzt zu werden. Technische Regel von 2005 an war aber in allen Bundesländern die Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie als Stand der Technik, egal, ob das jeweilige Bundesland schon eine Verordnung erlassen hatte, oder nicht. 

Ähnliche Entwicklungen gab es 1991 bei der DIN 4102-12 zur brandgeschützten Verkabelung von Sicherheitsanlagen oder der neuen Treppennorm DIN 18065 von 2020, die erhöhte Anforderungen an Lauf- und Podestbreiten stellt. Bei neuen Baumaßnahmen kann es zu weitergehenden  Komplikationen führen, wenn schon diese alten Vorschriften seinerzeit nicht erfüllt wurden.

Wann aber wird die Einhaltung der aktuell gültigen Vorschriften bei einer Sanierungsmaßnahme generell verpflichtend? Schon, wenn es neue Wand- und Bodenbeläge oder eine neue Badausstattung gibt, wenn verschlissene Aggregate der Haustechnik ausgetauscht werden und der Aufzug eine neue Steuerung bekommt? Oder erst, wenn umgebaut und in die Bausubstanz eingegriffen wird?

Im § 52 der Landesbauordnung NRW heißt es bei den Grundpflichten: „Bei der … Änderung, Nutzungsänderung und der Beseitigung von Anlagen ist die Bauherrschaft … dafür verantwortlich, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden.“ Genehmigungsfrei sind nach § 62 (4) generell alle Instandhaltungsmaßnahmen und darüber hinaus Maßnahmen an in § 62. (1) 11. aufgelisteten einzelnen Bauteilen.

In anderen Landesbauordnungen gibt es ähnliche Regelungen. Der Architekt wird nun sorgfältig prüfen müssen, ob die geplanten Maßnahmen überhaupt genehmigungspflichtig sind und damit aktuelle Vorschriften zu berücksichtigen sind. Wenn das der Fall ist, muss geprüft werden, ob das dann nur für die zu erneuernden Bereiche oder die ganze Immobilie gilt. Auch dafür haben die Bauordnungen Paragraphen mit eigenen Regeln zur Beurteilung. 

Es geht dabei nicht nur um bauliche Maßnahmen wie Umbauten, sondern häufig auch um Nutzungsänderungen. Bei einem großen Hotel in Baden-Württemberg stellten wir fest, dass man irgendwann vor vielen Jahren den Wellnessbereich halbiert und Flächen zu Tagungsräumen umgewidmet hatte. Die Landesbauordnung regelt dafür aber, dass Nutzungsänderungen nur genehmigungsfrei sind, wenn die neue Nutzung keine anderen Anforderungen und/oder neue Auflagen ergeben als die in der alten genehmigten Nutzung. Das ist hier nicht der Fall, und nun ist zu prüfen, welche brandschutztechnischen und sonstigen Auswirkungen die Nutzungsänderung hat.

Eine Grenze allerdings ziehen alle Landesbauordnungen für den Bestandsschutz: die Sicherheit von Leib und Leben zu schützen. In der Bayerischen Bauordnung heißt es in § 54 (4) zu den Aufgaben der Bauaufsicht:

„Bei bestandsgeschützten baulichen Anlagen können Anforderungen gestellt werden, wenn das zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit notwendig ist.“

Die Rolle des Brandschutzsachverständigen

Zur Identifizierung der Brandschutzdefizite ist eine detaillierte Untersuchung des Status Quo des Gebäudes notwendig. Dabei können zwei Hauptkategorien unterschieden werden:

  1. Nicht umgesetzte Brandschutzanforderungen: Diese stammen aus den Vorschriften und Genehmigungsauflagen zum Zeitpunkt der Erstellung des Gebäudes.
  2. Veraltete Ausführungen: Diese waren ursprünglich vorschriftsmäßig, erfüllen jedoch die mittlerweile aktuellen Anforderungen nicht mehr.

Der Einsatz eines qualifizierten Brandschutzsachverständigen ist in solchen Fällen unerlässlich. Er kann Kompensationsmaßnahmen entwickeln, um die Schutzziele auf alternative Weise zu erreichen, wenn eine vollständige Umsetzung der alten oder neuen Vorschriften nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Dies kann kostspielige Umwege und Fehlplanungen vermeiden.

Beispiele für Kompensationsmaßnahmen
  • Türaustausch: Wenn alte Zimmertüren sowieso ersetzt werden müssen, kann der Austausch gegen T30 RS-Türen sinnvoll sein, besonders wenn der Austausch aufgrund von Schallschutz erforderlich ist. Die Preisdifferenz zu einer guten Schallschutztür ist nur noch gering.
  • Türdichtungen:  Die Ertüchtigung bestehender Türen durch neue Türdichtungen, ermöglicht sie mit wenig Aufwand als dichtschließend auszubilden.
  • Neuer Brandabschnitt: Die Ausbildung einer Erweiterung als eigener Brandabschnitt kann helfen, das Schutzziel zu erreichen, auch wenn die zulässige Brandabschnittslänge noch nicht erreicht ist.
  • Parkverbot: Bei einem Hotelumbau in Leipzig wurde in Abstimmung mit der Verkehrsbehörde durch ein vergrößertes Parkverbot vor dem Eingang die Anleiterbarkeit für die Feuerwehr an die darüberliegenden Zimmer ermöglicht. Man kann also die Behörden durchaus in die Lösungsfindung mit einbeziehen und wird dabei manche positive Überraschung erleben.

Weitere mögliche Maßnahmen umfassen die Bildung von provisorischen Brandabschnitten während Umbaumaßnahmen und das Einbauen von Rauchmeldern in nicht geforderten Bereichen. Dies kann Defizite an anderer Stelle kompensieren.

Interdisziplinäre Bearbeitung

Eine erfolgreiche Umsetzung von komplexen Bestandsschutzanwendungen erfordert eine interdisziplinäre Bearbeitung. Alle Beteiligten – vom Eigentümer über den Bauherrn bis hin zum Architekten, den Fachplanern, dem Denkmalschutz und den Brandschutzexperten – müssen gemeinsam an Lösungen arbeiten. Der Bauherr möchte sein Gebäude legal und budgetorientiert nutzen, während Statiker, Brandschutzexperten und Bauphysiker sicherstellen müssen, dass alle Richtlinien eingehalten werden.

Bei historischen Gebäuden kann es der Denkmalschutz sein, dessen Forderungen der Anwendung anderer Bauvorschriften entgegensteht. Eine historische Tür kann oft nicht als Fluchttür noch jetzigen Regeln ausgebildet werden, ohne Ihren kunsthistorischen Wert zu beeinträchtigen. Energetische Anforderungen an die Gebäudedämmung können nicht immer auf historischen Fassaden umgesetzt werden. Den gegensätzlichen Anforderungen soll man aber Genüge tun. Hier müssen z.B. Bauphysiker und Denkmalschützer gemeinsam Lösungen erarbeiten, moderiert vom Architekten, der die hotelbetrieblichen Belange mit einbringen muss.

Dieses Beziehungsgeflecht kann man sich am besten mit einer Grafik verdeutlichen:

Herangehensweise zur Problemlösung

  1. Bestandsaufnahme: Eine umfassende Analyse des bestehenden Brandschutzes, des Genehmigungsstandes und der baulichen Gegebenheiten ist als erster Schritt erforderlich.
  2. Konzeptentwicklung: Erarbeitung eines Konzeptes zur Integration der Brandschutzmaßnahmen in die bestehende Gebäudestruktur.
  3. Einbindung der Behörden: Transparente Kommunikation mit den zuständigen Behörden während der Planungs- und Genehmigungs- phase.

Fazit

Es gibt keine einfache und universelle Lösung dafür, einen Bestandsschutz geltend zu machen. Jede Situation erfordert eine detaillierte Aufbereitung und eine fachlich fundierte Herangehensweise. Der Schlüssel liegt in der Zusammenarbeit aller Beteiligten und der Suche nach pragmatischen, aber auch innovativen Lösungen, um die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig die Funktionalität und gegebenenfalls. auch den historischen Wert eines Gebäudes zu erhalten.

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